Handmade im digitalen Zeitalter

Als ich klein war, gab es bei uns im Fernsehen drei Programme: das Erste, das Zweite und Schweizer Fernsehen. Abends schauten wir das Sandmännchen oder die Gschichtekischte. Ich liebte die Augsburger Puppenkiste – Robbi, Tobbi und das Fliwatüüt – und tschechische Märchenfilme.
Telefonieren war nicht billig. Man hielt sich kurz.
Ansonsten gab es Zeitungen und Büchereien.
Keine Computer, kein Internet, keine Handys.
Keine Hunderte von Fernsehsendern, die von Streamingdiensten, YouTube und TikTok abgelöst werden.
Keine Flatrates, WhatsApps und Zoom-Plattformen.
Damals hätten wir uns das Heute nicht vorstellen können.
Heute ist das Damals unvorstellbar.
War das Leben langsamer?
Heute ist Achtsamkeit der große Renner. Handarbeiten boomt. Leute stricken Hüllen für Straßenlaternen!
Damals hatten meine Eltern drei Gärten zu versorgen: den eigenen, den meiner Großmutter und die Streuobstwiese. Wir Kinder pflückten Erdbeeren und sammelten Mirabellen auf. Ich gruselte mich immer vor den Ohrenkneifern. Haut, Hände, Ohren.
Während der Weinlese kam der Bammert zum Vesper vorbei. Es gab Brot und Aufschnitt und Schwarztee aus der Thermoskanne. (So begann meine Liebe zum Teetrinken.)

Wenn ich in mein Atelier gehe – das ich inzwischen mit einer lieben Kollegin teile – dann entscheide ich mich bewusst dafür, mit den Händen zu arbeiten. Ich mache Flecken, spritze mit Farbe herum, kritzle und schabe. Ich arbeite oft an mehreren Bildern gleichzeitig. Zwei oder drei liegen dann immer auf dem Boden, und manchmal trete ich in die nasse Farbe und mache Abdrücke mit den Schuhsohlen. Es ist oft kalt im Atelier und feucht. Ich höre Musik und den Regen und das Summen der Holzbienen im Sommer. Ich trinke Tee, und ich rede mit meiner Freundin.

Meine Blumenbilder sind anders als meine digitalen Muster. Ich male übrigens echte Blumen! Keine Fotos, die ich gegoogelt habe. Ich habe im Atelier keinen Internet-Empfang. Die Mauern sind zu dick!
Zu meiner Blumenhändlerin – selbst Künstlerin – habe ich inzwischen einen guten Draht. Oft schenkt sie mir noch Blumen dazu, die sie nicht mehr verkaufen kann.

Was ich sagen will: wir alle genießen doch schöne oder angenehme Sinneseindrücke. Es muss nicht das Malen sein. Tanzen. Laufen. Gärtnern. Handarbeiten. Kochen. Miteinander reden. Händchen halten…  Handmade und digital im Gleichgewicht. Dann geht es uns gut, denke ich.
Aber manchmal müssen wir uns daran erinnern.

„Bonjour, Madame.“

Diesmal muss ich etwas übers Blogschreiben an sich sagen.

Lange Zeit dachte ich, dass ich Bildvorlagen verwenden darf, wenn ich sie selbst abmale. Irrtum!

Ende Mai kam das DSVOG und machte alles noch schwieriger. Personendaten sollen stärker geschützt werden. Nun heißt es: „Guten Tag, Frau…?“ Auf französisch kann das charmant sein. Auf deutsch finde ich es unhöflich.

Namen dürfen nicht mehr genannt werden. Fotografieren? Besser haarscharf daneben – zum Schutz des Rechts am eigenen Bild.

Schreiben ohne zu benennen.

Illustrieren ohne Bildmaterial zu verwenden, das nicht alt ist. (Laut Urheberrecht muss der Fotograf seit mindestens 70 Jahren tot sein. Nachweislich.) Also sind aktuelle Themen schwer darzustellen, es sei denn man besorgt sich die Rechte dazu (ein unglaublicher Aufwand) oder ist sehr risikobereit.

„Ich sage nichts ohne meinen Anwalt“ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

Man stelle sich nur Andy Warhol in dieser Situation vor. Marilyn Monroe? James Dean? John F. Kennedy? Die Death and Disaster Serie? No way!

Ich habe einige E-Mails bekommen, in denen es um das DSVOG geht – schließlich betreibe ich eine Webseite. Leider konnte ich das nicht einfach weg klicken. Aber ganz ehrlich: richtig verstanden habe ich die Inhalte der E-Mails auch nicht.

Grundsätzlich sammle ich keine Daten, gebe sie nicht weiter und verkaufe sie nicht.

Am Wochenende war ich in der Fondation Beyeler und habe mir die Ausstellung „Bacon – Giacometti“ – zwei meiner absoluten Lieblinge – angeschaut. Ich sag das jetzt einfach mal so. Keine Ahnung, ob ich das darf.

Danach habe ich ein kleines Bild gemalt.

Sagen wir einfach, dass das eine Umsetzung eines Bildes nach Velazquez ist. Mich interessierte die schiere Macht, die dieser Mann besaß.

Zufällig gibt es in der Ausstellung ein Bild von Francis Bacon zu der gleichen Vorlage…

Bacon ist leider noch nicht lange genug tot, als dass ich mich auf ihn beziehen könnte. Velazquez schon.

Und was ist mit meiner Sammlung Fotos aus der Stadtlandschaft?

Muss ich wirklich erst die Rechtslage recherchieren?

Interessanterweise sind Briefmarken gemeinfrei – ich darf sie also problemlos verwenden.

Und meine Serie von Fotos aus dem Holocaust? Da ist es wirklich schwierig zu sagen, wem die Rechte an den Vorlagen gehören. Wenn ich Anne Frank abmale – ist dann die „Schöpfungshöhe“ hoch genug? (So dass das Bild als eigenständiges Kunstwerk bestehen kann?)

Und wie ist das, wenn ich „Seiltänzer“ google?

Wie ist hier die Schöpfungshöhe?

Ich bin sehr für den Schutz persönlicher Daten. Aber ich frage mich doch, ob es hier nicht die Falschen trifft?

Die „Schöpfungshöhe“ von Postkarten

Kürzlich auf einer Schreibwarenmesse:

Blümchen, Herzchen, puderblau und rosa. Überhaupt pastellige Farben, Glitzer und Einhörner. Es gab sogar ein Bastelset „Einhörner häkeln“!

Bei mir sehen Einhörner so aus:

Es gab schöne Papiere und Bastelangebote:

Basteln ist nicht so mein Ding.

Aber manchmal frage ich mich doch, ob zum Beispiel meine Postkarten nicht auch eine Form von Bastelei sind?

Damit uns etwas wertvoll erscheint, muss es sowohl einen Zweck erfüllen als auch einen Sinn haben.

Habe ich gehört.

Postkarten haben einen Zweck. Ganz klar.

Der Sinn liegt vielleicht darin, dass man etwas teilen kann: Blümchen, Herzchen, pastellige Farben, Glitzer und Einhörner.

In meinem Fall Formen, die bei Paul Klee geklaut oder der Natur abgeschaut sind.

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